Gemeinnützige Wohnungswirtschaft – ein international viel beachtetes Wohnbaumodell

Der österreichische Wohnungsmarkt stellt im internationalen Vergleich ein Vorzeigemodell dar. Er unterscheidet sich grundsätzlich von rein marktgesteuerten Modellen wie z.B. in Spanien oder den USA, die mit ihren stark eigentumsorientierten Wohnungsmärkten und liberalisierten Wohnbaufinanzierungssystemen nicht nur hausgemachte Immobilienkrisen zu bewältigen haben, sondern dadurch auch den internationalen Kapitalmarkt erheblich in Mitleidenschaft gezogen haben.

Die wesentlichen Säulen des wohnungspolitischen Erfolgsmodells in Österreich sind

  • ein öffentlicher Wohnungsbau, der insbesondere zur Sicherung der Wohnversorgung der Bezieher niedriger Einkommen herangezogen wird
  • eine gezielte Angebotspolitik der öffentlichen Hand über die Vergabe von Wohnbauförderungsmitteln, durch die im Gegensatz zu anderen EULändern (Spanien, Großbritannien) Boom-and-Bust-Zyklen auf dem Wohnungsmarkt erschwert werden,
  • die gemeinnützigen Bauvereinigungen als „privatautonom organisierte, aber funktional für Zwecke des Gemeinwohls in Dienst genommene“ (Korinek/Holoubek) Wohnungsunternehmen und maßgebliche „Umsetzer“ der öffentlichen Angebotspolitik, die zu kostenbezogenen Preisen qualitativ hochwertige Mietwohnungen errichten und vermieten,
  • regionale Wohnbaufinanzierungskreisläufe, die Risiken der internationalen Kapitalmärkte nicht auf den Wohnbau durchschlagen lassen,
  • Preisregelungen im Altbestand des Mietwohnungssektors, die gesetzlich begrenzte Ertragsmöglichkeiten eröffnen und die Erhaltung und Verbesserung der Objekte sichert.
     

Die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen – fundamentaler Bestandteil des österreichischen Wohnungswesens

Die Errichtung von Mehrgeschoßwohnungen wurde in den letzten Jahrzehnten überwiegend durch gemeinnützige Bauvereinigungen (GBV) gesichert. Die GBV verfügen aktuell über einen Verwaltungsbestand von rd. 900.000 Miet- und Eigentumswohnungen, das entspricht etwas mehr als einem Fünftel des gesamten Wohnungsbestands in Österreich.

Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft fußt auf folgenden Prinzipien:

  • das Kostendeckungsprinzip, das Wohnungen zu vergleichsweise sehr günstigen Mieten sicherstellt.
  • die Vermögensbindung, durch die die erwirtschafteten Erträge im Unternehmen gebunden und im Sinne eines Generationenausgleiches wieder in die Errichtung  preisgünstiger Wohnungen investiert werden.
  • das engmaschige Netz aus öffentlicher Aufsicht und Kontrolle, das für die Bewohner sichere und solide wirtschaftende Wohnungsunternehmen gewährleistet.


Das gesetzliche Regelwerk der Wohnungsgemeinnützigkeit schafft die Voraussetzungen für die kontinuierliche Errichtung von Wohnungen. Wohnungen, die ohne Zuhilfenahme von öffentlichen Förderungsmitteln errichtet werden, weisen  ein deutlich günstigeres Mietniveau auf als Wohnungen gewerblicher Vermieter. Dadurch sorgen die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen für eine bedarfsgerechte Wohnraumversorgung zu günstigen Konditionen.  Verstärkt wird dieser Mehrwert für die Bewohner durch die Wohnbauförderung. Wesentlicher Vorteil des Kostendeckungsprinzipes ist es dabei, dass die öffentlichen Finanzierungshilfen 1:1 zur Entlastung der Bewohner eingesetzt werden.

Das Wohnbaufinanzierungssystem der GBV

Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit des Wohnbaufinanzierungssystems ist die Existenz von Unternehmen hoher Bonität und eine Refinanzierungsdauer von Wohnbauinvestitionen von 30 bis 40 Jahren. Dies unterscheidet die GBV von anderen Wohnungsunternehmen, die eine Entschuldung innerhalb von 20 bis 25 Jahren anstreben. Ein Fehlen des gemeinnützigen Wohnungssektors hätte schwerwiegende negative Folgen am Wohnungsmarkt. Führt doch der breite gemeinnützige Wohnungsbestand doch insgesamt zu einer Dämpfung der Marktmieten. Wohnungen von gemeinnützigen Bauvereinigungen sind durchschnittlich um ein Viertel günstiger als gewerbliche Mietwohnungen.  - und dies ganz ohne von der öffentlichen Hand bereitgestellte Wohnbauförderungsmittel.

Die Finanzierungsstruktur im gemeinnütziger Wohnbau hängt davon ab, ob Wohnbauförderungsmittel in Anspruch genommen wurden oder nicht:

  1. Gemeinnütziger Wohnbau ohne Förderung:
    • Eigenkapital der Wohnungsunternehmen, mit dem 20 bis 30 Prozent der Investitionskosten finanziert wird und das auf Bestandsdauer in den Wohnobjekten verbleibt (gemeinnütziges Wohnbaueigenkapital).
    • Finanzierungsbeiträge der Bewohner, mit denen je nach finanzieller Leistungsfähigkeit 5 bis 15 Prozent der Investitionskosten abgedeckt werden, wodurch auch die Mieten der Bewohner gesenkt werden.
    • Fremdkapital der Spezialbanksysteme Bausparkassen und Wohnbaubanken im Ausmaß von 20 bis 50 Prozent der Investitionskosten und einer Laufzeit bis zu 30 Jahren.
    • Die Restfinanzierung erfolgt auf dem Kapitalmarkt mit Darlehenslaufzeiten bis zu 25 Jahren
       
  2. Gemeinnütziger Wohnbau mit Förderung
    • Eigenkapital der Wohnungsunternehmen, mit dem 10 bis 15 Prozent der Investitionskosten abgedeckt wird und auf Bestandsdauer in den Wohnobjekten verbleibt (gemeinnütziges Wohnbaueigenkapital).
    • Finanzierungsbeiträge der Bewohner, mit denen je nach finanzieller Leistungsfähigkeit 5 bis 15 Prozent der Investitionskosten abgedeckt werden, wodurch auch die Mieten der Bewohner gesenkt werden.
    • Wohnbauförderungsmittel im Ausmaß von 25 bis 50 Prozent der Investitionskosten mit einer Laufzeit von 30 bis 40 Jahren (kollektiver Generationenausgleich – Risikoversicherungsvertrag).
    • Fremdkapital der Spezialbanksysteme Bausparkassen und Wohnbaubanken im Ausmaß von 20 bis 50 Prozent der Investitionskosten und einer Laufzeit bis zu 30 Jahren.
    • Die Restfinanzierung erfolgt auf dem Kapitalmarkt mit Darlehenslaufzeiten bis zu 25 Jahren


Durch diese Finanzierungsstruktur kommt es zu einer im internationalen Vergleich einzigartigen Zins- und Risikostruktur. Der über den Kapitalmarkt finanzierte Teil liegt bei max. 65 Prozent. Aufgrund der deutlich unter Marktniveau liegenden Mieten besteht ein nur sehr geringes Vermietungsrisiko. Der Effekt: seit Jahrzehnten sind keine Kreditausfälle zu verzeichnen. Angesichts dieser hohen Kreditwürdigkeit der gemeinnützigen Wohnbaubranche kann der Kapitalmarkt wirtschaftlich lange Finanzierungslaufzeiten und niedrige Zinssätze (vergleichbar mit der öffentlichen Hand) anbieten. Diese beiden Faktoren wirken – aufgrund des Kostendeckungsprinzips – wiederum mietpreisdämpfend.

Ohne dieses Instrument der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft gelten Immobilienfinanzierungen international als Hochrisikofinanzierungen. Im Gegensatz dazu gewährleistet das österreichische Wohnbaufinanzierungsmodel eine der sichersten Finanzierungs- bzw. Veranlagungsformen.

Diese für einen ausgewogenen Wohnungsmarkt entscheidenden Bedingungen, widersprechen den heute propagierten Markt- und Wettbewerbsregeln. In der Theorie wird von den deregulierten wettbewerbszentrierten Wohnungsmärkten behauptet, sie befänden sich im Gleichgewicht. In der Praxis zeigt sich aber vielmehr, dass von den liberalen und deregulierten Wohnungsmärkten gerade in der jüngsten Vergangenheit ökonomisch krisenhafte Entwicklungen mit massiven Kollateralschäden für Kapitalmärkte und Weltwirtschaft ausgehen und in weiterer Folge zu Ghettobildungen mit sozial und ökonomisch negativen Folgewirkungen wie steigende Kriminalität, Ghettobildung und für Bildung und Arbeitsmarkt negativ wirkende Segregation herbei führen (können).

Fazit

Es ist daher lohnenswert, die Säulen des österreichischen Wohnungsmarktmodells sowohl als wohnungspolitisches Best-Practice-Modell als auch als Voraussetzung für erfolgreiche Wirtschaftspolitik den wettbewerbsorientierten Systemen gegenüberzustellen und vor allem auch Argumente für dessen Erhalt zu liefern.

Das österreichische Wohnungsmarktmodell zeichnet sich aus durch

  • einen generationenübergreifenden Ansatz,
  • eine Mittelaufbringung zu Konditionen der öffentlichen Hand
  • eine privatwirtschaftlich organisierte Umsetzungsstruktur
  • eine Offenheit für die Einbindung privater Finanzierungsmittel und
  • eine kostenbezogene Preisbildung und öffentliche Aufsicht.


Bezogen auf die Wohnbaupolitik kann als Voraussetzung für einen funktionierenden Wohnungsmarkt ein ausreichendes und für alle Lebenslagen bedarfsgerechtes Angebot an Miet- und Eigentumswohnungen angeführt werden. Dies kann nicht ohne steuernde Eingriffe der öffentlichen Hand im Wege der wohnrechtlichen Rahmenbedingungen und baulandmobilisierenden Instrumentarien gewährleistet werden. Bei einer bestehenden Angebotslücke am Wohnungsmarkt bzw. angesichts einer stark wachsenden Bevölkerung ist eine objektorientierte Wohnbauförderung ein wesentliches politisches Ergänzungsinstrument,

Dem stehen eine Vielzahl von Risikoelementen eines gänzlich unregulierten Wohnungsmarktes gegenüber: Wie auch zahlreiche Studien der EU-Kommission und OECD nachgewiesen haben, können hohe berufsbedingte Mobilitätserfordernisse  der Haushalte, zusammen mit einem einseitigen,  eigentumszentrierten Wohnungsangebot und liberalisierten Wohnbaufinanzierungssystemen die Überschuldung der Haushalte begünstigen und dadurch zu krisenhaften Entwicklungen auf den Hypothekar- und Wohnimmobilienmärkten führen. Die in solchen Ländern zu beobachtende steuerliche Absetzbarkeit für Wohnraumschaffung führt in vielen Fällen zu zyklischem Investitionsüberhang, mit anderen Worten: zu Kreditblasen. Damit geht in der Regel auch eine spekulative Entwicklung am Grundstücksmarkt einher. Zinssatzschwankungen auf deregulierten Kapitalmärkten erhöhen die Wohnkostenbelastung der Haushalte –  im Worst Case drohen die Verarmung der betroffenen Haushalte und Unternehmenskonkurse.

DI Dr. Bernd Riessland
Generaldirektor Stellvertreter
SOZIALBAU AG